Page 28 - fuer-nippes_2013-3
P. 28
28 Leben
Auf ein Kölsch im Kappes mit Hans Werner Lübbert
Seit 33 Jahren im Schuh-Service und mit 66 Jahren und sechs Kindern viel erlebt
Ein richtiges Interview wurde es dann doch nicht. Schuhmacher Hans Werner Straße 24, wohnen lassen. Und der war
Lübbert, den fast ganz Nippes kennt, weil er seit 1980 den Schuh-Service in der Schuhmacher. Wir haben die nächsten
Auguststraße betreibt, erzählt und erzählt und erzählt („Ich war schon immer ein Jahre, bis ich sechs war, immer mit die-
Plappermaul“). Dabei kommen sehr persönliche Geschichten aus seinem Leben sem Mann Tür an Tür gewohnt. Als das
zu Tage und die Reporterin wundert sich, wie ein Mensch trotz zahlreicher Tief- Haus in Klettenberg abgerissen wurde,
schläge im Leben nicht resigniert, sondern immer wieder aufsteht, den Kopf oben sind wir zusammen in den Markthallen-
behält und weiter geht. Bunker nach Raderthal gezogen, danach
an den Kartäuserwall und später nach
werden. Aber ich Vingst. Als Kind bin ich immer wieder
hatte die falschen zu dem Schuhmacher hin gegangen
Vorkehrungen ge- und habe ihm bei der Arbeit zugeguckt.
troffen und mit Aber eigentlich ging es mir um die Sü-
der Scheidung ßigkeiten, die er mir anbot. Ich hatte ja
war auch das Haus immer Hunger.
futsch. Das biss-
chen Rente, das Und Gummibärchen erhalten die kleinen
ich jeden Monat Kunden noch heute bei Ihnen.
bekomme, ist nur Ja, die gibt es immer. Auch noch für die
wie ein besseres Großen.
Taschengeld.
Und wie sind Sie dann Schuster gewor-
Für Nippes: Herr Lübbert, viele kennen Sie Aber das hat Sie den?
als freundlichen Schuhmacher, der stets nicht am Leben Mit 14 kam ich aus der Schule und da
gut gelaunt ist und schon immer zu Nip- verzweifeln las- stellte sich die Frage, was ich werden
pes gehört. Wie alt sind Sie eigentlich? sen? soll. Und Karl, unser ehemaliger Nach-
Nein, ich habe mir gesagt: Werner, bleib bar, der mittlerweile ein guter Freund
Hans Werner Lübbert: Ich bin 66 Jahre stark. Da stehste drüber. Immer den Kopf der Familie war, meinte, ich könnte
alt, habe sechs Kinder und war zweimal oben behalten. Und dann habe ich mir doch auch Schuster werden. Ich habe
verheiratet. Wir hatten ja früher kein mein Leben wieder aufgebaut. Was ich dann bei der Firma Wukasch in Sülz in
Fernsehen. War jetzt ein Scherz. (lacht) verloren habe, waren 30 Kilogramm Ge- der Palanterstraße gelernt. Die hatten
Und bin schon seit einem Jahr Rentner. wicht. Aber das konnte ich gebrauchen. sogar drei Schuhgeschäfte in Köln. Das
Und die Kunden sorgen auch für mich. war ein richtiger Familienbetrieb. Ich ge-
Aber Sie stehen doch noch jeden Tag im hörte dazu. Meine Familie, zu der in Köln
Laden. Sie sind sehr beliebt im Veedel. noch drei Geschwister hinzugekommen
Ja, denn ich muss so lange arbeiten wie Och, ja. Ich bekomme Blumen, Kuchen, waren, lebte damals in Kalk und wir hat-
ich kann. jetzt im Herbst auch selbst gemachte ten damals eine Wohnung ohne Bad. Bei
Marmelade oder auch belegte Brötchen. Wukasch konnte ich auch immer baden.
Warum? Davon könnte ich mich ernähren.
Die Rente reicht nicht. Meine Kunden Und nach der Lehre, wie ging es da weiter?
finden das natürlich gut, dass ich wei- Aber Handwerk hat, so heißt es, gol- Mit gerade 20 Jahren wurde ich entlas-
terhin für sie da bin. denen Boden. Wie sind Sie zu dem Beruf sen, weil sich die Familie zerstritten hat-
gekommen? te. Danach habe ich dann alle möglichen
Und Sie? Tja, das ist so eine Geschichte. Ich bin in Jobs gemacht, habe lange Jahre mit dem
Na ja, ich kann nichts daran ändern. Greifswald geboren und 1950 mit mei- Lkw Holz auf Baustellen gefahren.
nen Eltern nach Köln gekommen. Aber
Haben Sie denn nicht vorgesorgt? nicht direkt, sondern als Flüchtlinge aus Aber nicht mehr als Schuhmacher gear-
Doch, aber nachdem sich meine zweite der DDR war unsere erste Meldestelle in beitet?
Frau vor drei Jahren von mir getrennt Bremen. Dort hat man uns direkt eine Nein, nur ein bisschen nebenbei. Dann
hat, war ich auch meine Lebensversi- Rückfahrkarte in die Hand gedrückt, kamen ja die Ketten wie Mister Minit
cherung los. Das Geld hatte ich in den aber wir sind geblieben. Über Wup- auf und das war nichts für mich. 1970
Umbau eines Hauses im Siegerland ge- pertal sind wir in Köln gelandet. Hier wurde mein erster Sohn geboren und
steckt. Das sollte unser Altersruhesitz durften wir eigentlich auch nicht blei- ich musste gucken, woher das Geld
ben, aber gleich nach unserer Ankunft kommt. Mit meinem jüngsten Bruder
trafen wir in Köln einen Mann, der hat habe ich beispielsweise das Schuhge-
uns bei sich, in einem ausgebrannten schäft der Firma Frankenstein in Ehren-
Haus in Klettenberg in der Rhöndorfer feld nach einem Brand renoviert. Fran-

