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28 Leben

Auf ein Kölsch im Kappes mit Hans Werner Lübbert

Seit 33 Jahren im Schuh-Service und mit 66 Jahren und sechs Kindern viel erlebt

Ein richtiges Interview wurde es dann doch nicht. Schuhmacher Hans Werner                Straße 24, wohnen lassen. Und der war
Lübbert, den fast ganz Nippes kennt, weil er seit 1980 den Schuh-Service in der          Schuhmacher. Wir haben die nächsten
Auguststraße betreibt, erzählt und erzählt und erzählt („Ich war schon immer ein         Jahre, bis ich sechs war, immer mit die-
Plappermaul“). Dabei kommen sehr persönliche Geschichten aus seinem Leben                sem Mann Tür an Tür gewohnt. Als das
zu Tage und die Reporterin wundert sich, wie ein Mensch trotz zahlreicher Tief-          Haus in Klettenberg abgerissen wurde,
schläge im Leben nicht resigniert, sondern immer wieder aufsteht, den Kopf oben          sind wir zusammen in den Markthallen-
behält und weiter geht.                                                                  Bunker nach Raderthal gezogen, danach
                                                                                         an den Kartäuserwall und später nach
                                            werden. Aber ich                             Vingst. Als Kind bin ich immer wieder
                                            hatte die falschen                           zu dem Schuhmacher hin gegangen
                                            Vorkehrungen ge-                             und habe ihm bei der Arbeit zugeguckt.
                                            troffen und mit                              Aber eigentlich ging es mir um die Sü-
                                            der Scheidung                                ßigkeiten, die er mir anbot. Ich hatte ja
                                            war auch das Haus                            immer Hunger.
                                            futsch. Das biss-
                                            chen Rente, das                              Und Gummibärchen erhalten die kleinen
                                            ich jeden Monat                              Kunden noch heute bei Ihnen.
                                            bekomme, ist nur                             Ja, die gibt es immer. Auch noch für die
                                            wie ein besseres                             Großen.
                                            Taschengeld.
                                                                                         Und wie sind Sie dann Schuster gewor-
Für Nippes: Herr Lübbert, viele kennen Sie                             Aber das hat Sie  den?
als freundlichen Schuhmacher, der stets                                nicht am Leben    Mit 14 kam ich aus der Schule und da
gut gelaunt ist und schon immer zu Nip-                                verzweifeln las-  stellte sich die Frage, was ich werden
pes gehört. Wie alt sind Sie eigentlich?                               sen?              soll. Und Karl, unser ehemaliger Nach-
                                            Nein, ich habe mir gesagt: Werner, bleib     bar, der mittlerweile ein guter Freund
Hans Werner Lübbert: Ich bin 66 Jahre       stark. Da stehste drüber. Immer den Kopf     der Familie war, meinte, ich könnte
alt, habe sechs Kinder und war zweimal      oben behalten. Und dann habe ich mir         doch auch Schuster werden. Ich habe
verheiratet. Wir hatten ja früher kein      mein Leben wieder aufgebaut. Was ich         dann bei der Firma Wukasch in Sülz in
Fernsehen. War jetzt ein Scherz. (lacht)    verloren habe, waren 30 Kilogramm Ge-        der Palanterstraße gelernt. Die hatten
Und bin schon seit einem Jahr Rentner.      wicht. Aber das konnte ich gebrauchen.       sogar drei Schuhgeschäfte in Köln. Das
                                            Und die Kunden sorgen auch für mich.         war ein richtiger Familienbetrieb. Ich ge-
Aber Sie stehen doch noch jeden Tag im                                                   hörte dazu. Meine Familie, zu der in Köln
Laden.                                      Sie sind sehr beliebt im Veedel.             noch drei Geschwister hinzugekommen
Ja, denn ich muss so lange arbeiten wie     Och, ja. Ich bekomme Blumen, Kuchen,         waren, lebte damals in Kalk und wir hat-
ich kann.                                   jetzt im Herbst auch selbst gemachte         ten damals eine Wohnung ohne Bad. Bei
                                            Marmelade oder auch belegte Brötchen.        Wukasch konnte ich auch immer baden.
Warum?                                      Davon könnte ich mich ernähren.
Die Rente reicht nicht. Meine Kunden                                                     Und nach der Lehre, wie ging es da weiter?
finden das natürlich gut, dass ich wei-     Aber Handwerk hat, so heißt es, gol-         Mit gerade 20 Jahren wurde ich entlas-
terhin für sie da bin.                      denen Boden. Wie sind Sie zu dem Beruf       sen, weil sich die Familie zerstritten hat-
                                            gekommen?                                    te. Danach habe ich dann alle möglichen
Und Sie?                                    Tja, das ist so eine Geschichte. Ich bin in  Jobs gemacht, habe lange Jahre mit dem
Na ja, ich kann nichts daran ändern.        Greifswald geboren und 1950 mit mei-         Lkw Holz auf Baustellen gefahren.
                                            nen Eltern nach Köln gekommen. Aber
Haben Sie denn nicht vorgesorgt?            nicht direkt, sondern als Flüchtlinge aus    Aber nicht mehr als Schuhmacher gear-
Doch, aber nachdem sich meine zweite        der DDR war unsere erste Meldestelle in      beitet?
Frau vor drei Jahren von mir getrennt       Bremen. Dort hat man uns direkt eine         Nein, nur ein bisschen nebenbei. Dann
hat, war ich auch meine Lebensversi-        Rückfahrkarte in die Hand gedrückt,          kamen ja die Ketten wie Mister Minit
cherung los. Das Geld hatte ich in den      aber wir sind geblieben. Über Wup-           auf und das war nichts für mich. 1970
Umbau eines Hauses im Siegerland ge-        pertal sind wir in Köln gelandet. Hier       wurde mein erster Sohn geboren und
steckt. Das sollte unser Altersruhesitz     durften wir eigentlich auch nicht blei-      ich musste gucken, woher das Geld
                                            ben, aber gleich nach unserer Ankunft        kommt. Mit meinem jüngsten Bruder
                                            trafen wir in Köln einen Mann, der hat       habe ich beispielsweise das Schuhge-
                                            uns bei sich, in einem ausgebrannten         schäft der Firma Frankenstein in Ehren-
                                            Haus in Klettenberg in der Rhöndorfer        feld nach einem Brand renoviert. Fran-
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