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Schaufenster Weidenpesch                                                                 27

Ein Tag ohne Nadel und Faden ist ein verlorener Tag

Textilkünstlerin Ulla Hoppe schafft beeindruckende Kunstwerke

Das textile Gestalten ist Ulla Hoppe in die Wiege gelegt worden. Ihre Mutter war

Schneidermeisterin, die Großmutter Genremalerin, die der Enkelin schon früh

Malunterricht erteilte, eine Tante war Studentin am Bauhaus und Stickmeiste-

rin. Diese Einflüsse führten dazu, dass die Kölnerin heute ausdrucksstarke, textile

Werke schafft.                                Fotos: Biber Happe

Nippes-Magazin: Frau Hoppe, ist Sticken       Diese berühmte Schule für Gestaltung,       der Beruf. Ich hatte früh eine Familie und
noch zeitgemäß?                               die von 1919 bis 1933 in Deutschland exi-   da hat das Leben anders für mich ent-
                                              stierte und bis heute Kunst, Design und     schieden. Aber nach dem dreijährigen
Ulla Hoppe: Bei den Freizeitbeschäf-          Architektur beeinflusst, hat auch mit den   Studium der Handstickerei an der renom-
tigungen gab es immer Wellenbewe-             wesentlichen Gestaltungselementen –         mierten Royal School of Needlework in
gungen. Sticken ist nie ganz verschwun-       Grundformen und Grundfarben - gear-         London hat sich das grundlegend geän-
den, hatte aber auch nie den Stellenwert      beitet. Die Kunst besteht auch für mich     dert.
wie Stricken oder Nähen. Sticken ist, im      im Weglassen. Weniger ist mehr.             Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Vergleich zu den beiden anderen tex-                                                      Dass meine Hände heil bleiben und ich
tilen Techniken, die zeitintensivste Be-      Wie finden Sie die Motive für Ihre Arbei-   noch lange arbeiten kann. Und da ich in
schäftigung, aber vom Material her die        ten?                                        Weidenpesch wohne, würde ich auch ger-
günstigste. Für eine Schwarzstickerei wie     Die finde ich in meinem täglichen Umfeld,   ne einmal in Nippes ausstellen. mac
die Erdmännchen brauche ich bis zu 80         da, wo ich gehe und stehe. Mit meinem       www.die.drei-textil.de
Stunden. Aber der Weg ist das Ziel. Mich      Handy mache ich dann ein Foto, wenn
beruhigt und entspannt das Sticken, und       das nicht gut genug ist, nehme ich mei-         NeRuieesmeImnemkdeoitrtederierlneasnttategs5G0e0rigchr te
an einem Tag ohne Nadel und Faden fehlt       nen Fotoapparat. Es kann aber auch sein,
mir was.                                      dass ich nach einem Konzert eine Idee
                                              habe. Und schöne, alte Stoffe inspirieren
Die Stickerei mit den Erdmännchen ist ein     mich auch zu Textilarbeiten. Ich suche
echter Hingucker. Witzig, aber auch sehr      nicht gezielt, sondern nehme alles rund
kunstvoll und technisch perfekt. Wie ent-     um mich auf.
steht so eine Arbeit?
Von einem Foto fertige ich eine Zeichnung     Im letzten Jahr hatten Sie eine Ausstel-
auf Papier an. Diese Zeichnung übertrage      lung mit Bildern zur Kreuzigung in einem
ich dann auf hauchdünnes Seidenpapier,        Kölner Geschäft für Paramente, für kirch-
das ich auf den Stoff lege. Dann sticke ich   liche Textilien, jetzt im Frühjahr haben
durch Papier und Stoff hindurch. Wenn         Sie im Torhaus der Flora ausgestellt und
alles fertig ist, wird das Seidenpapier vor-  in diesem Jahr noch fünf weitere Ausstel-
sichtig entfernt.                             lungen. Sie starten richtig durch.
                                              Ja, die sieben Ausstellungen in diesem
                                              Jahr, unter anderem auch in Luxemburg,
                                              sind schon eine ganze Menge, aber das
                                              hat sich so ergeben. Ich möchte mit mei-
                                              nen Arbeiten erreichen, dass die Stickerei
                                              nicht ausstirbt. Alte Traditionen sollen
                                              am Leben erhalten werden, und auf den
                                              Ausstellungen beantworte ich gerne Fra-
                                              gen der Besucher. Denn für viele ist Sti-
                                              cken gleich Kreuzstich und sie sind sehr
                                              erstaunt über meine vielfältigen Arbeiten.

Die schwarz-weißen, graphischen Stickar-      Erstaunt war ich auch darüber, dass Sie     Haus Bolz . Kempener Straße 46 . 50733 Köln
beiten sind sehr beeindruckend, und be-       die Stickerei bis zur Ihrer Pensionierung   Di-So 11.30 -14.30 Uhr und 17.00-22.00 Uhr
sonders die farbigen Werke zeigen häufig      vor einem Jahr nur als Hobby betrieben
die drei Grundfarben oder orientieren sich    haben. Ihre Arbeiten sind sehr professio-
am Farbkreis.                                 nell und technisch perfekt.
Ja, ich kann meine Wurzeln nicht ver-         Ja, neben meinem Beruf in einer Wirt-

leugnen. Meine Tante war Studentin            schaftsprüfungskanzlei war der Umgang

am Bauhaus und hat mir ab dem Alter           mit Nadel und Faden ein guter Ausgleich

von fünf Jahren Stickunterricht erteilt.      und auf jeden Fall mehr Lebensinhalt als
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