Page 18 - fuer-nippes_2012-3
P. 18

18 Literatur

„Ich arbeite mit Erinnerungen“

Der Illustrator und Autor Nikolaus Heidelbach gibt Auskunft über seine Arbeit

Er bezeichnet sich selbst als „freien Kinderbuchautor und satirischen Zeichner.“
Nikolaus Heidelbach gilt als einer der besten zeitgenössischen Kinderbuch-Illus-
tratoren. Der 56-Jährige hat zahlreiche Preise und Auszeichnungen erhalten und
ist durch viele Ausstellungen über Deutschland hinaus bekannt geworden. Er lebt
mit seiner Familie in Nippes.

Für Nippes: Viele kennen Ihre Bücher,       Ganz klar ersteres. Ich sehe mich schon
aber wie viele kennen Ihr Gesicht? Wer-     als Autor, besonders als Kinderbuchau-
den Sie auf der Straße angesprochen?        tor, obwohl ich ja mittlerweile auch für
                                            Erwachsene schreibe. Aber das nur in
                                            zweiter Linie.

Nikolaus Heidelbach: Ich habe hier          Sie leben und arbeiten in Nippes. Wa-      Wer ist Ihnen als Leserschaft lieber: Kin-
in Nippes zwei Kinder groß gezogen,         rum gerade hier?                           der oder Erwachsene?
da kennt man eine Menge Leute aus           Ich wohne seit 30 Jahren in Nippes. Das    Kinder, weil sie viel unbefangener sind
dem Umfeld Kindergarten und Schule.         war Zufall. Ich kam aus Berlin und mein    als Erwachsene. Das bilde ich mir zu-
Aber Menschen, die mich im Alltag auf       Bruder hat für mich eine Wohnung in        mindest ein.
meine Arbeit ansprechen, das passiert       Köln gesucht und eine in Nippes ge-
selten. Es gab einmal einen Bettler, der    funden. Aufgewachsen bin ich aller-        Ihre Illustrationen werden oft als beson-
hat mich erkannt. Das war einen Tag,        dings im Kuniberts-Viertel. Aus dieser     ders eigenwillig beschrieben. Sehen Sie
nachdem in der ARD-Sendung „Druck-          Perspektive ist die Innere Kanalstraße     das auch so?
frisch“ ein Interview mit mir gezeigt       die Grenze der Stadt. In Nippes ist man    Für mich ist das eher die Verlegenheit
wurde zum Erscheinen meines Buches          irgendwie außerhalb von Köln, aber         der Kritiker. Die Kinderbuchszene ist
„Königin Gisela“. Darin geht es um ein      trotzdem nah dran. Das gefällt mir.        insgesamt eher konservativ und über-
Mädchen, das Herrscherin über eine                                                     schaubar langweilig. Da aufzufallen
Erdmännchen-Kolonie werden möch-            Wenn man Ihre Illustrationen sieht,        ist nicht schwer. Ich habe Sachen ge-
te. Ich bin gerade auf dem Weg in den       versteht man den Text oft noch einmal      macht, die vor mir noch keiner gemacht
Supermarkt, da spricht mich der Mann        ganz neu. Wie erarbeiten Sie sich die      hat. Daher rührt ein solches Urteil. Ich
an und sagt „Hallo Erdmännchen“. Da         Geschichten?                               glaube aber, wenn man eine gute Ge-
war ich platt.                              Als ich zum Beispiel die Märchen der       schichte für Kinder erzählt, gibt es kei-
                                            Brüder Grimm illustriert habe, hatte ich   ne Themen, die man nicht reinbringen
Sind Sie ein schreibender Illustrator oder  eine Zeit lang an die hundert Märchen      darf. Ich traue Kindern viel zu und das
ein zeichnender Schriftsteller?             im Kopf. Dann habe ich mich auf die        ist entscheidend.
                                            Suche nach passenden Ideen gemacht
                                            und wie ein Schwamm Details auf-
                                            gesogen: Gesten, Gesichtsausdrücke,
                                            Körperhaltungen. Ich arbeite mit Erin-
                                            nerungen, mit Dingen, die ich einmal
                                            gesehen und mir gemerkt habe. Diese
                                            Details halte ich in meinem Kopf bereit,
                                            um sie bei Bedarf abzurufen.

                                            Gibt es Vorbilder?
                                            Meine Vorbilder sind die alten Maler
                                            des 15. und 16. Jahrhunderts und dabei
                                            eher die zweit- und drittrangigen. Die-
                                            ser Weltsicht fühle ich mich verwandt.

                                            Wie würden Sie Ihre Technik beschrei-
                                            ben?
                                            Ich gehe nicht grafisch vor, sondern
                                            stelle die Stofflichkeit, also die unter-
                                            schiedlichen Materialien in den Vor-
                                            dergrund. Die Verschiedenartigkeit von
                                            Haut, Haaren, Fingernägeln und Stoff
                                            belebt ein Bild ganz besonders.
   13   14   15   16   17   18   19   20   21   22   23