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34 Leben
Auf ein Kölsch im Kappes mit Irene Franken
Die Historikerin hat vor 30 Jahren den Kölner Frauengeschichtsverein gegründet
Wer sich mit der Kölner Frauenbewegung beschäftigt, kommt an der Historikerin Frauenzunft der Seidenweberinnen, die
und Publizistin Irene Franken (63) nicht vorbei. Sie wurde in Düsseldorf geboren, lebt das Monopol auf die Herstellung von Sei-
und wirkt seit 1973 in Köln und sorgt dafür, dass Geschichte und Geschichten von de in Köln besaß. Seidenweber gab es zu
Frauen öffentlich werden. Und trinkt lieber Apfelschorle als Kölsch. Foto: Biber Happe der Zeit gar nicht.
Für Nippes: Irene Franken, bei der Grün- Warum hast du Mitte der 1980er Jahre Aufsehenerregender war die Debatte um
dung des Kölner Frauengeschichtsverein den Kölner Frauengeschichtsverein ge- die Figuren, die nach den Zerstörungen
spielte auch das Thema Gleichberech- gründet? des Zweiten Weltkriegs und dem Wie-
tigung eine große Rolle. Ist das jungen Aus Verärgerung. Mein komplettes Ge- deraufbau den Rathausturm schmücken
Frauen heute noch wichtig? schichtsstudium hier in Köln war frauen- sollten.
Im ersten Konzept waren von 124 histo-
los. Nur die Groß-
mutter Karl des rischen Figuren aus der Kölner Stadtge-
Großen tauchte in
einer Stammtafel schichte nur fünf weiblich. Es war ein
auf. Ich dachte, das
kann nicht sein, zähes Ringen, bis die Anzahl auf 18 Frauen
dass die Geschich-
te von Frauen nicht erhöht wurde. Das sind mal gerade 15 Pro-
spannend ist und
deshalb nicht er- zent. 2009 wurden unter anderem auf In-
zählt wird.
itiative des Vereins sechs Plätze und Stra-
ßen im Rheinauhafen nach erfolgreichen
Kölner Frauen benannt, zuletzt ein Platz
nach Dorothee Sölle, der im Juni einge-
weiht wird.
Irene Franken: Im Verein erleben wir Wie ging es dann Noch immer bilden Führungen einen
gerade einen gewissen Boom, was sich weiter? Schwerpunkt des Vereins. Warum ist das
an der starken Nachfrage nach Praktika Ich habe einige Ar- so?
zeigt. Bei der vergangenen Lit Cologne, tikel in der Kölner Damit ist der Verein gestartet, aber es ist
dem Kölner Literaturfestival, ist die radi- Frauenzeitung Ko- auch ein Konzept, das auf den Dialog setzt.
kale Feministin Laurie Penny aus England bra veröffentlicht und wurde von einer Frauen haben ja eher schlechte Erfah-
aufgetreten. Der Saal war voll und viele Leserin angesprochen, ob ich nicht Rund- rungen mit ihrem Geschichtsunterricht
junge Leute waren da. Das war ein sehr gänge durch die Kölner Frauen-Stadtge- gemacht. Der war langweilig und Mäd-
erfreulicher Anblick. Heutzutage sind schichte anbieten könnte. Das habe ich chen und Frauen kamen schon mal gar
junge Feministinnen nicht mehr an den dann zusammen mit einer Pädagogin, nicht vor. Etwas zu erzählen, die Quellen
üblichen ´analogen Orten` unterwegs, Edith Kiesewetter, gemacht. Zeitgleich zu nennen, regt zum Dialog an. Und unser
sondern im Internet beziehungsweise in mit dem Kölner Autor Martin Stankowski Wissen zu teilen, macht einfach Spaß.
definierten Gruppen. waren wir die ersten, die ´auf die Stra-
ße` gegangen sind, also Stadtführungen Aus den Schlagzeilen ist der Verein mitt-
Das Medium hat sich geändert. Aber der draußen angesiedelt und Sozialgeschich- lerweile raus.
Inhalt hat sich nicht erledigt? te von Unterdrückten zum Thema ge-
Gleichberechtigung ist immer noch The- macht haben. Den Verein habe ich 1986 Wir arbeiten viel im Hintergrund, bera-
ma, das jüngere Leute allerdings eher glo- zusammen mit einigen Interessierten ge- ten Museen wie das Haus der Geschichte
bal betrachten, obwohl in Deutschland gründet. Als kultureller Verein wollten wir in Bonn oder Redaktionen des WDR. Ich
eine besonders große Kluft zwischen den sichtbar machen, was Frauen geschaffen selbst bin Jurorin im Schülerwettbewerb
Löhnen und Gehältern von Männern und haben, aber durchaus auch, wo sie selbst Geschichte des Bundespräsidenten. Der
Frauen klafft. Gerade bei Trennungen er- Ausbeuterinnen waren. Verein hat rund 160 Mitglieder; darun-
lebe ich es, dass beim Thema Unterhalt ter leider nur zwei Männer. Neben der
für viele Frauen Gleichberechtigung wie- Als sichtbare Erfolge des Vereins sind mir Erforschung ist die Archivierung und die
der zum Thema wird. Und was das The- die Umbenennung von Straßen in Erinne- Dokumentation der Neuen Kölner Frau-
ma Karriere angeht, sind viele Entschei- rung geblieben und die Auswahl bei den enbewegung ein wichtiges Anliegen. In
dungen schwer zu durchschauen. Also, Figuren für den Rathausturm. den letzten Jahren ist das Thema Migran-
das Thema Gleichberechtigung hat sich Wir hatten Glück, dass es kurz nach der tinnen hinzugekommen.
noch nicht ganz erledigt. Vereinsgründung in Köln eine öffentliche
Debatte bezüglich der Straßennamen Um was geht es dabei konkret?
gab. 1987 konnten wir erreichen, dass die Es gibt seit der Neuen Frauenbewegung
Straße „Unter Seidmacher“ in „Seidma- Selbstorganisationen von Migrantinnen,
cherinnengässchen“ umbenannt wurde. die bisher kaum wahrgenommen wur-
Denn in Köln existierte die bedeutende den. Viele Themen sind sehr komplex und

