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6 Inklusion

Viele Barrieren stehen noch im Weg

Unterwegs mit einer Rolllstuhlfahrerin in Nippes

Am Ende des gut einstündigen Spaziergangs war nicht nur Barbara Röttger-Schulz                Unser Weg führt uns die Schillstraße ent-
geschafft, sondern auch die Reporterin. Die ehemalige Justizangestellte ist seit vier         lang Richtung Schillplatz und durch die
Jahren aufgrund der Spätfolgen ihrer Kinderlähmung auf einen Rollstuhl angewie-               Mauenheimer Straße bis zum Bürgerzen-
sen. „Für Nippes“ wollte erfahren, wie inklusiv unser Stadtteil ist. Wo gibt es Stol-         trum. Röttger-Schulz freut sich, dass die
perfallen, Engstellen und unüberwindbare Hürden, die Menschen mit Behinderung                 Reporterin den Rollstuhl schiebt, denn
einschränken und damit ihre Teilnahme am öffentlichen Leben begrenzen?                        schon kleine Steigungen auf den Stra-
                                                                                              ßen sind zu beschwerlich für sie. Doch
Wir starten an der Schillstraße. Hier          Stadt mit ihrem Handlungskonzept zur           Rollstuhl schieben will gelernt sein, denn
steht das Auto von Röttger-Schulz, das         Behindertenpolitik das Ziel vorgegeben:        mancher Bordstein ist hoch oder es gibt
mit einer Einrichtung ausgestattet ist,        „Köln überwindet Barrieren – eine Stadt        zwischen Bürgersteig und Straßenbelag
um den Rollstuhl ins Innere zu hieven.         für alle.“                                     einen schmalen Streifen, in dem das klei-
Nur dafür muss ein Meter Platz hinter                                                         ne Vorderrad des Sport-Rollstuhls hän-
                                                            „Zudem gehöre ich dem Ar-         gen bleibt. Der Blick geht vor jeder Stra-
dem Wagen bleiben. Doch daran halten                        beitskreis barrierefreies Köln    ßenüberquerung erst zum Boden. Wo ist
sich nicht alle Autofahrer. „Mein Schild                    an, der von der Stadt-AG be-      der flachste Übergang vom Bürgersteig
an der Heckscheibe, das darauf hinweist,                    auftragt ist, die Vorschläge      auf die Fahrbahn? Am Ende der einstün-
ist eigentlich nicht zu übersehen“, sagt                    mit der Verwaltung praktisch      digen Fahrt klappt das schon deutlich
Röttger-Schulz. „Häufig benötigen auch                      umzusetzen.“ Leider klappe        sanfter und entspannter. Aber: Nippes
ältere Autofahrer mehr Platz hinter ih-                     das nicht immer. Die Ämter        ist erstaunlich „bergig“.
ren Fahrzeugen, wenn sie beispielsweise                     hätten das noch nicht wirklich
einen Rollator ausladen müssen.“ Auch                       verinnerlicht. „Die Verwaltung    Auf dem Hof des Bürgerzentrums Al-
dafür möchte Barbara Röttger-Schulz die                     ist sehr bemüht, aber manch-      tenberger Hof macht Röttger-Schulz auf
BürgerInnen sensibilisieren. Denn Barri-                    mal sprechen wir Dinge ab und     den schmalen Plattenweg aufmerksam,
erefreiheit nutzt allen, auch Eltern mit                    wenn das Bauprojekt abge-         der für Rollstuhlfahrer angelegt wurde,
Kinderwagen oder Reisenden mit Kof-                         schlossen ist, sieht doch alles   aber auch Blinden
fern. Seit eineinhalb Jahren sitzt sie in der               anders aus.“ So ein kleiner Fall  und Sehbehinder-
Stadtarbeitsgemeinschaft Behinderten-                       ist die Rampe zum Bürgerzen-      ten als Orientie-
politik (Stadt-AG). Ihre 24 stimmberech-       trum in der Turmstraße. Dort wurde vor         rung dient. Denn
                                               zwei Jahren mit Geld aus dem Konjunk-          der Platz ist mit
                           tigten Mitglieder   turprogramm II ein barrierefreier Zugang       feinem Splitt be-
                           aus Wohlfahrts-     geschaffen. Aber die Rampe ist lang und        legt und macht es
                           und Behinderten-    muss deshalb nach einer gewissen Stre-         schwierig, um beispielsweise den Ein-
                           verbänden vertre-   cke ein kleines Podest zum Verschnau-          gang zur „Scheune“ zu finden, die mitt-
                           ten die Interessen  fen haben. Das fehlt allerdings. Nur am        lerweile mit Hörschleifen für Hörgeschä-
                           von rund 100.000    Handlauf ist zu erkennen, wo die Steigung      digte versehen wurde. Häufig stehen
                           Menschen mit Be-    hätte unterbrochen werden müssen. Für          allerdings entlang der niedrigen Mauer,
                           hinderung in Köln                                                  die die Sitzplätze des Lokals vom Hof ab-
                           gegenüber Politik   Barbara Röttger ist diese lange Rampe ein      trennt, Fahrräder, zum Teil mit Anhän-
                           und Verwaltung.     Problem, denn ihr bereitet es große Mühe,      gern. „Dann ist diese Markierung nicht
Gute Arbeit wird besonders auch in den         ihren Rollstuhl selbst zu schieben. „Man-      mehr zu nutzen“, sagt Röttger-Schulz.
Ratsausschüssen geleistet, denen Men-          che Dinge sind halt gut gemeint, aber          Manche angesprochenen Radfahrer re-
schen mit Behinderung als sachkundige          nicht gut gemacht“, lautet ihr Kommen-         agierten freundlich, seien einsichtig, an-
Bürger angehören. Denn 2009 hat die            tar dazu. Und noch etwas fehlt im Bür-         dere eher nicht. „Aber die ständigen Hin-
                                               gerzentrum: ein Aufzug. Denn Menschen          weise sind auf Dauer sehr anstrengend
                                               mit Gehbehinderung erreichen die oberen        und die Reaktionen machen dann auch
                                               Stockwerke wie beispielsweise die Räume        traurig.“ Wenn sich nichts ändere, sei das
                                               der Rheinischen Musikschule nicht.             kein Miteinander. Dabei sind in den letz-
                                                                                              ten Jahren zahlreiche Fahrradnadeln vor
                                                                                              dem Gebäude installiert worden.

                                                                                              Zum Schluss unserer Tour gehen wir die
                                                                                              Neusser Straße entlang. Auf den manch-
                                                                                              mal schmalen Bürgersteigen stehen vor
                                                                                              den Cafés viele Tische. Das sei natürlich
                                                                                              ein Stück Urbanität und Lebensqualität,
                                                                                              meint Röttger-Schulz, werde aber für
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