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20 ... aus der Geschichte von Nippes
Die Clouth-Werke - Teil 3
Wirtschaftliche Expansion
Im Jahre 1910 beschäftigten die Clouth-Werke rund 600 Arbeiter und etwa 80 An- milien wohnten, die teilweise zur Kom-
gestellte. Die Grundfläche der Fabrikanlagen betrug damals etwa 40 000 Qua- munistischen Partei Deutschlands (KPD)
dratmeter. Das entspricht knapp sechs Fußballfeldern. tendierten. Jedoch konnte die KPD-nahe
„RGO“ („Revolutionäre Gewerkschaftsop-
verwendet, etwa für Akku-Kästen. Nach position“) bei den Betriebsratswahlen
der Kapitulation der deutschen Armee 1930 keinen Sitz im Betriebsrat der Firma
rückten englische Truppen in den Kölner Clouth erringen, während die benachbar-
Raum ein. Die Umstellung auf „Friedens- te Gummifabrik Plaat (Niehler Straße/
produktion“ wurde schwierig, nicht nur Ecke Friedrich-Karl-Straße) eine Hoch-
wegen der vielen administrativen Be- burg der RGO war. Durch die Nationalso-
schränkungen, sondern auch wegen des zialisten, die Anfang 1933 in Deutschland
akuten Mangels an Rohstoffen. an die Macht gekommen waren, wurden
kommunistische Organisationen sofort
1920 wurde die Firma Clouth dann – un- gewaltsam unterdrückt und zerschlagen.
Außerdem waren die neuen Machthaber
ter Mitwirkung verschiedener Banken bestrebt, Deutschlands Wirtschaft mög-
lichst weitgehend vom Ausland unabhän-
wie der Deutschen Bank und des Bank- gig zu machen. So wurde auch die Produk-
tion und der Einsatz von synthetischem
hauses Oppenheim – in eine Aktien- Kautschuk wieder vorangetrieben. Die Fir-
ma Clouth war hier maßgeblich beteiligt.
gesellschaft umgewandelt, in der Max Sie verwendete den
Gummi-Ersatzstoff
Clouth, ein Sohn des Firmengründers, „Buna“ bald in grö-
ßerem Ausmaß.
Vorstandsmitglied war. Ab 1927 war er
Vorstandsvorsitzender. Die Produktion
Max Clouth, Sohn des Firmengründers (ca. 1927) lief wieder an. 1923 galoppierte dann die
Das Werk expandierte: Der Umsatz er- Inflation. Nicht nur die Stadt Köln, son-
reichte 2, 9 Millionen Goldmark und die
Rohstoffversorgung wurde umgestellt dern auch die Firma Clouth ließ Notgeld
von wild wachsendem Rohkautschuk
auf Plantagenkautschuk aus Ceylon. 1911 drucken bis im November 1923 die Ren-
begann die Firma Clouth auch, sich für
die Herstellung von synthetischen Kau- tenmark eingeführt wurde. Am 1. Januar
tschuk zu interessieren. Im Jahre 1912 fei-
erte die Firma ihr 50-jähriges Jubiläum. 1924 wurde das Kapital der Clouth-AG 1936 wurde ein
Von der preußischen Staatsregierung
bekam das Werk eine „Silberne Staats- neu festgelegt auf 1.060 000 Goldmark. Clouth-Zweigwerk
medaille“ verliehen. Konrad Adenauer,
der damals erster Beigeordneter der Im Jahre 1925 über- in Ballenstedt (am
Stadt Köln war, überbrachte der Firma
die Glückwünsche der Stadt. nahm die Felten & Rand des Harzes)
Nach dem Ausbruch des Ersten Welt- Guilleaume (F&G) gegründet, wo
kriegs erfolgte sehr bald die Umstellung
auf „Kriegsproduktion“. Hunderte von Carlswerk AG das Gummibehälter
weiblichen Arbeitskräften wurden ein-
gestellt, die große Ballonhalle wurde Clouth Notgeld (1923) gesamte Aktien- hergestellt wurden.
umfunktioniert zu einem Nähsaal, in kapital der Firma
dem hauptsächlich Armeezelte herge- 1937 feierte man Gemeinsame „Betriebsver-
stellt wurden. Der für die Gummiher- Clouth, das danach auf 2,3 Millionen dann, unter der Lei- sammlung“ der Clouth-
stellung benötigte Rohkautschuk wurde Werke und der Land- und
in Deutschland ab 1915 immer knapper. Reichsmark erhöht wurde. Die Arbeiter tung des damaligen Seekabelwerke, 1. Mai 1933
Daher wurde die Entwicklung und Pro- Aufsichtsratsvorsit-
duktion von synthetischem Kautschuk und die technischen Einrichtungen der
vorangetrieben. Hier gab es eine Zu-
sammenarbeit mit den Farbenfabriken F&G-Gummiwarenfabrik in Köln-Mül- zenden Generaldirektor Fritz Lehmann und
Elberfeld, der späteren IG Farben. Der
Synthese-Kautschuk wurde hauptsäch- heim wurden damit nach Nippes verlegt, unter wehenden Hakenkreuzfahnen das
lich zur Herstellung von Hartgummi
wo seitdem nur noch technische Gum- 75. Gründungsjubiläum der Firma Clouth
miwaren produziert wurden. Die Welt- in den Deutzer Messehallen.
wirtschaftskrise, die 1928 einsetze, führte
auch bei den Clouth-Werken zu beträcht- ... in der nächsten Ausgabe geht es weiter!
lichen Einbrüchen und Verlusten. Die
deutsche Kautschuk-Industrie versuchte, Winfried Schumacher
www.archiv-koeln-nippes.de
den Problemen durch die Gründung eines
Kautschuk-Kartells („Witeka“) zu begeg- Quelle:
Franz Clouth Rheinische Gummiwarenfabrik AG
nen. Max Clouth, der inzwischen in den (Hrsg.): Clouth 1862 | 1962 - Wagnis Arbeit Erfolg / 100
Jahre Clouth, Köln 1962
Aufsichtsrat der Firma übergewechselt
Manfred Backhausen: Leben in Nippes – Arbeiten bei
war, war am Zustandekommen dieses Clouth. Aus der Clouth‘schen Familien-, Sozial- und
Industriegeschichte. Pulheim 2005
Kartells maßgeblich beteiligt.
Archiv für Stadtteilgeschichte Köln-Nippes e.V. (Hrsg.):
Das Wohngebiet nördlich und nord- Loss mer jet durch Neppes jon. Der Stadtteilführer. Köln
westlich der Clouth-Werke wurde im (3. Aufl.) 2010, S. 65 f.
Volksmund oft als „Klein-Moskau“ be-
zeichnet, weil dort vor allem Arbeiterfa- Bestände des „Archivs für Stadtteilgeschichte Köln-
Nippes e.V“

