Page 28 - fuer-nippes_2011-1
P. 28
28 Menschen
Er brachte das Dreigestirn nach Nippes
Stimmungssänger Toni Steingass wurde vor 90 Jahren geboren
Er hatte wie kaum ein anderer kölscher Volksmusiker das Volkstümliche im Blut,
besang mit seinem bekanntesten Lied „Der schönste Platz ist immer an der Theke“
die Gemeinschaft aller Volksschichten in der Kneipe: Am 13. April wäre Toni Stein-
gass 90 Jahre alt geworden.
Seit 1954 wohnt Familie Steingass in der Heiterkeit“, „De Hauptsach es, et Hätz Nippes der Karneval auf dem Wilhelm-
Gustav-Nachtigall-Straße und seit Ende es jot“ oder präsentierte die Schimpfka- platz mit dem offiziellen Dreigestirn
der 1980er Jahre sind Ehefrau Anni und nonade des „kölschen Explezeer“. „Dazu schon um 9.11 Uhr eröffnet wird.
Sohn Helmut die Nachlassverwalter des fühlte ich mich einfach verpflichtet“,
kölschen „Humoriss“, wie er sich selber sagt der 63-Jährige, der eine Ausbildung Grundlage war ein Gassenhauer
nannte. Toni Steingass starb plötzlich zum Werbefotograf machte, aber dessen
im Oktober 1987 in seiner Wahlheimat berufliche Laufbahn aufgrund der Popu-
Kommern. larität seines Vaters ganz anders verlief
als geplant.
Erfolg durch Können und Glück 26 Jahre Steingass-Terzett Die wirtschaftliche Grundlage für sein
„Mein Vater besaß künstlerisches Kön- musikalisches Leben schaffte Steingass
nen, gepaart mit guten Beziehungen Schließlich waren Helmut 1950, als er seinen eigenen Musikver-
und glücklichen Zufällen im Leben“, er- „Heli“ und Toni Steingass die lag gründete. Schuld daran war sein
klärt Helmut Steingass den großen mu- Nachfolger des „Steingass- bekanntestes Lied „Der schönste Platz
sikalischen Erfolg von Toni Steingass. Der Terzetts“, das von 1946 bis ist immer an der Theke“, das alle ange-
einzige Sohn stand selbst 15 Jahre, von 1972 aufspielte. Steingass, fragten Verlage nicht veröffentlichen
Franz-Josef Schmitz und lan- wollten. Als Opus 100 in sein persön-
Ehefrau Anni Steingass und Sohn Helmut (Heli) ge Jahre Karl Heinz Virnich liches Verzeichnis eingegangen und
traten in Karnevalssälen, im mit dem anschließenden weltweiten
1972 bis 1987, zusammen mit dem Vater Varieté und im Rundfunk auf Erfolg des Schun-
im Karneval als „Die Steingässer“ auf und waren mit ihrer Stim- kelliedes – sogar
der Bühne und sang von „Jubel, Trubel, mungsmusik verlässliche in Japan wurde es
Garanten, wenn es darum gespielt – musste
ging, einen kurzen Abschied sich Steingass kei-
vom grauen Alltag zu ermöglichen. Die ne Sorgen mehr
Kriegsjahre zuvor hatte Toni Steingass um seine und die
mit Hilfe seines musikalischen Talents Zukunft seiner
überstanden: „Die Musik hat mir das Le- Familie machen.
ben gerettet.“ Dennoch ruhte
sich der Volksmu-
Geboren wurde der Urenkel von Reinhold siker nicht auf sei-
Fellenberg, dem Stabstrompeter, der 1871 nen Lorbeeren aus,
bei der Kaiserkrönung von Wilhelm I in schrieb in 40 Jahren rund 420 Lieder, die
Versailles den Marsch blasen durfte und noch heute von seinem Sohn verlegt
der den Roten Funken ihr „Ritsch, ratsch werden.
de Botz kapott“ bescherte, in der Nähe
des Friesenplatzes. Seine Eltern hatten 420 Lieder im Karteikasten
dort eine Pianohandlung. Der kleine Toni
lernte schon früh das Klavierspiel, das Helmut Steingass kramt in einem kleinen
Akkordeonspiel brachte er sich später Karteikasten, der Pappkärtchen enthält,
selbst bei. Seine musikalische Laufbahn auf denen fein säuberlich die Lieder und
begann 1945 in Niehl, führte ihn über den die Daten ihrer Erstveröffentlichung
Eigelstein schließlich nach Borkum – wo verzeichnet sind. „Das ist der Verlag“,
er mit seiner Frau Anni in den Sommer- sagt Steingass stolz und kann anhand
monaten in der Tuskulum-Bar auftrat jeder Karteikarte sofort eine Geschich-
– und in die Sendeanstalten von WDR te erzählen. Wie beispielsweise die zum
und Deutschlandfunk. Er begründete die Lied „Gankg ens ob de Universität“, das
Seniorennachmittage im Rheinpark, hob Steingass 1975 zum Kölner Liederwett-
das Funken-Biwak auf dem Neumarkt bewerb einreichte. „Eigentlich sollte mit
aus der Taufe und sorgte dafür, dass in dem Wettbewerb der karnevalistische
Das Stadtteilmagazin

