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36 Leben
Eine Chance fürs Leben
Mitike und Abush aus Äthiopien leben jetzt in Nippes
„Es ist verrückt, wie schnell die Kinder sich hier eingewöhnt haben, wie schnell sich schaft erforderlich“, bekennt Wolfgang
das Familienleben völlig normal entwickelt hat.“ Während Monika Kaiser spricht, Beelmann. „Wir kennen ja die Vorge-
tanzt die vierjährige Mitike auf ihrem Schoß, plappert ununterbrochen und will schichte der Kinder nicht.“ Doch alle
ihre Sicht der Welt kund tun. haben gut zueinander gefunden, bis
jetzt ist alles gut gegangen. Die beiden
Vor einem Jahr haben Monika Kaiser „Von unserer Anmeldung bis zur Abho- quirligen Pänz haben sich eingewöhnt
und ihr Mann Wolfgang Beelmann zwei lung der Kinder aus einem konfessio- im deutschen Alltag und gehen gerne
Kinder aus Äthiopien adoptiert. Mitike nellen Heim in Addis Abeba hat es vier zum Fußball oder Tanzen - wie andere
und ihren jetzt sechsjährigen Bruder Jahre gedauert“, sagt Kaiser. Die Warte- Kinder in ihrem Alter auch.
Abush. Die neunjährige Johanna hatte zeit beträgt mindestens zwei Jahre. An-
Riesenfortschritte durch „begreifen“
Die ersten Monate seien allerdings an-
strengend gewesen. „Die Kinder folgten
mir wie ein Schatten überall hin, selbst
auf die Toilette“, erinnert sich Kaiser
schmunzelnd. Sie seien zwar dem Ba-
byalter entwachsen, lebten aber nur
im Kinderheim. Erfahrungen außerhalb
dieser kleinen Welt waren ihnen ver-
wehrt. „Sie haben wortwörtlich alles
begriffen, indem sie die Dinge angefasst
haben und alle Worte ständig wieder-
holten.“ Mit dem Ergebnis, dass Abush
nach einem Jahr im Kindergarten ganz
regulär mit sechs Jahren eingeschult
worden ist.
von einem Tag auf den anderen zwei fang 2009 wurde es dann konkret: Fotos „Kinder lassen sich einfach auf vieles
neue Geschwister. „Wir sind selber mit und ein Gesundheitsbericht kamen in ein“, haben die Beelmanns festgestellt.
vielen Geschwistern aufgewachsen. Da Nippes an – von zwei statt einem Kind. Und Johanna als große Schwester sei
war es klar, dass wir in einer großen Daraufhin wurde das Haus umgebaut, ein gutes Vorbild mit viel Verantwor-
Familie leben möchten. Und Johanna die große Schwester Johanna holte ihr tungsgefühl. „Wichtig war ein klarer
wünschte sich immer Geschwister“, altes Spielzeug aus dem Keller und be- Tagesablauf, klare Strukturen und Ri-
sagt Kaiser. reitete zusammen mit ihren Eltern alles tuale, die Sicherheit geben.“ Grundvor-
für die Ankunft vor. aussetzungen, die eine gute Erziehung
Adoptionen jenseits der 40 schwierig ausmachen, haben diese beiden Kinder
„Die Geschwister waren schon mehr noch einmal besonders eingefordert.
Doch da die beiden – beruflich etabliert als ein Jahr im Heim und sollten nicht Ihre Taufe am 16. Mai in der Lutherkir-
als Sozialarbeiterin und Universitätspro- getrennt werden. Sie sind von einem che war ein großes Willkommens- und
fessor - schon älter als 40 Jahre waren, Onkel in drei Tagesmärschen aus den Familienfest für alle drei Kinder.
wurde eine Adoption schwierig. Denn in äthiopischen Bergen in die Hauptstadt
der Regel stimmen die Jugendämter nur gebracht worden. Er hatte sich eine Zeit- „Wenn die Kinder älter sind, werden wir
dann zu, wenn der Altersunterschied lang um die Kinder kümmern können, nach Äthiopien reisen und uns zusam-
zwischen Eltern und Kindern nicht nachdem die Mutter bei Mitikes Geburt men die Heimat von Mitike und Abush
mehr als 40 Jahre beträgt. Das Ehepaar gestorben war“, berichtet Kaiser. Der Va- anschauen“, sagt Monika Kaiser. Eine
erfuhr dann vom „Evangelischen Verein ter lebte schon länger nicht mehr. Heimat, in der sie kaum Chancen auf ein
für Adoptions- und Pflegekindervermitt- menschenwürdiges Leben hatten. Das
lung Rheinland“ (Evap), der seinen Sitz Risiko Adoption hat ihnen die Adoption eröffnet. mac
in Düsseldorf hat. Der Fachverband der
Diakonie ist als interstaatliche Adop- Die Angaben sind spärlich, die die Beel-
tionsvermittlungsstelle seit 20 Jahren manns von Evap über die Kinder erhal-
bundesweit anerkannt. ten. „Klar ist eine gewisse Risikobereit-
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