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der plötzlich stirbt und Ellis in seinen Milieu. Allen Geschichten von Gottwald/
Todesfall verwickelt ist… Aber mehr sei Meisenberg ist gemein, dass sie Köln in
an dieser Stelle nicht über den Thriller vielen feinen Nuancen aufleben lassen. Es
verraten, der unter die Haut geht und war ein kölscher Abend in bester Manier.
dessen Handlung aus zwei ganz unter-
schiedlichen Teilen zu bestehen scheint. Das Finale am Samstagabend gehörte
Auch Angelowski, die die schon lange Hanns-Josef Ortheil, der seit Jahrzehnten
in Nippes lebt, berichtete zwischen den zu den bedeutendsten und vielseitigs-
Lesepassagen über ihre Arbeit, ihre An- ten, deutschsprachigen Autoren gehört.
fänge als Schriftstellerin und ihre häufig
düsteren Kriminalgeschichten.
Zu einem kurzweiligen Zwiegespräch Seine Romane wurden in 20 Sprachen
trafen sich Christoph Gottwald und Pe- übersetzt, und seit 2008 lehrt er am „In-
ter Meisenberg in der Gaststätte Hahn- stitut für Literarisches Schreiben und Li-
heister. Die beiden Krimi- und Dreh- teraturwissenschaft“ der Universität Hil-
buchautoren sind eng mit dem Start des desheim. Ortheil kommt immer wieder
Emons-Verlags in Köln verbunden, der sich gerne nach Nippes, weil er – 1951 in Köln
1984 gründete und das Genre des Regio- geboren - am Erzbergerplatz aufgewach-
nalkrimis entwickelte. Mittlerweile ist er sen ist. Viele seiner in den letzten zehn
Marktführer mit mehr als 40 regionalen Jahren veröffentlichten Bücher handeln
Krimireihen. Aber Gottwald/Meisenberg von dieser Zeit. Auch der im Mai erschie-
nene Roman „Wie ich Klavierspielen lern-
erinnerten nicht nur an die jüngere Kölner te“, aus dem Ortheil in der Kulturkirche
Verlagsgeschichte, sondern gaben auch las, hat wieder diesen Lebensabschnitt
Einblicke in die Kölner Unterwelt und ihre zum Inhalt. Mit vier Jahren erhält Ortheil
prägenden Persönlichkeiten. Insbesonde- zum ersten Mal Klavierunterricht. Er ist
re in den 1960er Jahren galt die Domstadt begabt, lernt schnell und bald steht für
aufgrund der hohen Zahl an Verbrechen ihn fest, dass er Konzertpianist werden
als Chicago am Rhein, und Unterwelt-
größen wie Schäfers Nas und Dummse möchte. Mit großer Erzählfreude berich-
Tünn beherrschten die Ringe. Meisenberg
räumte ein, vom Mythos dieser kriminel- tet Ortheil von seinen ersten Erlebnissen
len Menschen fasziniert gewesen zu sein,
die häufig nur brutal agierten. Gottwald
beschrieb in seinem 2010 veröffentlichten
Buch „Blütenträume“ über das Leben des
Geldfälschers Jürgen Kuhl ebenfalls das
auf dem Weg zum Musiker, über das
Zusammentreffen mit Glenn Gould am
Ufer der Salzach oder den Erfahrungen
mit der russischen Klavierschule. Mehr
als Buch, Tisch und Stuhl braucht Ortheil
nicht, um ein gespannt lauschendes Pu-
blikum in seinen Bann zu schlagen. Der
lang anhaltende Applaus war ein schöner
Schlusspunkt am Ende einer Woche für
die Literatur. mac

