Page 20 - fuer-nippes_2015-2
P. 20
20 Leben
Schicht für Schicht Geschichte freigelegt
Drei Familien restaurieren beim Projekt Nippes60 drei Häuser im Sechzigviertel
Baudenkmalpfleger Bernd Kibies ist in seinem Element. Zusammen mit zwei wei- Im Frühjahr haben die ersten Handwerks-
arbeiten begonnen. Sämtliche Versor-
teren Familien restauriert er zwei denkmalgeschützte Häuser an der Sechzigstra- gungsleitungen müssen erneuert werden,
Heizungen werden erstmalig eingebaut,
ße/Ecke Zonser Straße. Das Nebenhaus, das er mit seiner Frau Mércia bewohnt,
wird ebenfalls saniert. Daran soll sich ein Neubau anschließen. Beim Projekt „Nip-
pes60 – Denk mal anders“ haben auch diese kleinen Denkmäler eine eigene Ge-
schichte, die es lohnt zu erhalten. Fotos: Nippes60
„Wir haben die Häuser von den Schäfers kleinen Denkmäler von Bedeutung, die Wände neu gezogen und bestehende
geerbt“, meint Bernd Kibies ironisch. Die unsere Straßen, Siedlungen, Dörfer und Wände von innen gedämmt, Fußböden
„Schäfers“, das waren die Besitzer des Stadtteile prägen. „Wir wollen lebens- und Fensterrahmen aufgearbeitet, Dächer
Fachgeschäfts für Farben und Bodenbelä- wertes Wohnen und Arbeiten im Sechzig- werden neu eingedeckt. Wenn diese Arbei-
ge, das sich bis zur Schließung im Mai 2014 viertel schaffen, einen Lebensraum voller ten abgeschlossen sind, folgt der Neubau
in der Sechzigstraße 25 befand; insgesamt kultureller Vielfalt, eigener Identität und auf dem Grundstück an der Zonser Straße.
Viel Geld wird die GbR in ihr Projekt inve-
vier Generationen in Familienbesitz. Und kölscher Identifikation. Neues stieren. Mehrere Monate hat Kibies mit
„geerbt“ stimmt nicht ganz, denn Bernd und Altes, Modernes und Be- Banken verhandelt und schließlich in Düs-
Kibies – der schon seit mehr als 20 Jahren währtes miteinander harmonisch seldorf und Neuss ein Geldinstitut gefun-
in einem Haus der Schäfers wohnt - und verbinden.“ So beschreiben sie ihr den, das das Projekt mitträgt. Ein Antrag
die beiden anderen Familien haben die Konzept, das über eine Sanierung an die „Deutsche Stiftung Denkmalschutz“
Immobilien gekauft. „Aber Familie Schä- denkmalgeschützter Häuser weit
fer wollte, dass die Häuser in gute Hände hinausgeht. In Zukunft sollen war ebenfalls erfolgreich. Es ist das erste
kommen und nicht nur saniert werden, wieder Mietwohnungen und La-
sondern deren Geschichte weiterge- denlokale entstehen. Wohnhaus in Köln, das die gemeinnützige
schrieben wird.“ Und so entstand das Pro-
„Wir sind gerade dabei, dass Alter Organisation fördert. „Viele Nachbarn,
jekt „Nippes60 – Denk mal anders“. In des Eckhauses genau bestimmen
einem Blog kann der Baufortschritt der zu lassen“, erklärt Kibies. „Denn die schon lange im Sechzigviertel leben,
Häuser verfolgt werden. Für Kibies und das Haus muss älter sein als Bau-
die beiden anderen Familien, die sich in jahr 1880 wie es in der Denkmalli- freuen sich darüber, dass wir mit unserer
einer GbR, einer Gesellschaft bürgerlichen ste steht.“ 1871 wurde die Sechzig-
Rechts, zusammengeschlossen haben, straße angelegt als Folge der Ansiedlung Restaurierung der Häuser das Quartier
sind neben prachtvollen Villen oder Kir- des Eisenbahnausbesserungswerks ab
chen, Burgen und Schlössern auch die 1860. Häuser wurden im Viertel ab 1862 aufwerten“, sagt Kibies. „Sie bringen uns
gebaut. „Wir gehen davon aus, dass das
Eckhaus in den 1870er Jahren gebaut wur- Fotos und alte Bücher und verfolgen den
de und eines der ältesten Häuser im Sech-
zigviertel ist. So etwas zieht dann immer Baufortschritt anhand der Bilder und die
eine weitere Bebauung nach sich.“
Texte, die ich regelmäßig an die Schaufens-
Vor der Sanierung mussten die alten
Häuser erst einmal entrümpelt werden. ter im Erdgeschoss hänge.“ Sie wissen das
Denn nach dem letzten Umbau Anfang
der 1960er Jahre wurde sich kaum noch ungewöhnliche Engagement zu schätzen,
um die Erhaltung der Häuser gekümmert.
Neben alten Autoreifen, Einkaufswagen dass das Kulturerbe der kleinen Leute be-
sowie Farbtöpfen und Einmachgläsern
noch mit Inhalt wurde im Keller auch ein wahrt. mac
alter Brunnen freigelegt, im ehemaligen
Ladenlokal tauchten hinter Wandverklei- www.nippes60.de
dungen die ursprünglichen Fliesen wieder
auf. Auf dem Speicher fanden sich alte
Zeitungen und alte Pläne des Hauses wie-
der, sowie ein Koffer mit Feldpostbriefen
aus den Kriegsjahren. „Das alles sind Teile
der Geschichte dieses Hauses, die wir ge-
funden haben und weiterschreiben wol-
len“, freut sich Kibies.

