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38 Kirche
Mutige Pilgerfahrt in dunkler Zeit
Ausstellung in St. Bonifatius erinnert an Romfahrt vor 80 Jahren
Im letzten Jahr feierte die Pfarrgemeinde St. Bonifatius das 100-jährige Beste- für die damals beteiligten jungen Männer
war es ein eindrucksvolles Erlebnis von
hen ihrer Kirche mit vielfältigen Veranstaltungen. An ein besonderes Ereignis Gemeinschaft, sondern für alle, die sich
während der Nazizeit in der katholischen
von Ostern 1935 erinnert nun Gemeindemitglied Rolf Wicharz mit einer Foto- Jugendarbeit engagierten. Denn in Rom
konnten die Banner und Wimpel offen
Ausstellung in der Unterkirche. Fotos: Sammlung Rolf Wicharz gezeigt und durch die Straßen getragen
werden, die in Hitler-Deutschland nur
Es ist die einwöchige Pilgerfahrt nach Rom Reich wurden dann alle Pilger durchsucht noch im religiösen Rahmen von Prozessi-
der „Sturmschar“, wie sich die katholische und Fahrtenhemden, Zelte, Fotoapparate onen und Gottesdiensten erlaubt waren.
Jugend im Deutschen Reich von 1929 bis und Banner beschlagnahmt. Für die Don-
zu ihrem Verbot 1939 durch die National- Bosko-Medaille, die jeder Pilger vom Papst
erhalten hatte, musste sogar Zoll bezahlt
werden. Nur die Fahne von St. Bonifatius „Besonders Kaplan Cürten hat
blieb bei dieser Einschüchterungsakti-
on der Gestapo unentdeckt. Die katho- sich während seiner Zeit in
lischen Jugendverbände sollten immer
stärker eingeschränkt werden zugunsten Nippes von 1931 bis 1943 ge-
der Hitler-Jugend als einzigem staatlichen
Jugendverband. 1939 wurden die katho- gen das Nazi-Regime gestellt.
lischen Jugendverbände schließlich ganz
verboten. Besonders wichtig war ihm
die Jugendarbeit und die Un-
terstützung der Sturmschar
der Pfarre“, betont Wicharz.
Mit seinem Einsatz für die Jugendlichen
„Vor 26 Jahren, zum 75. Jubiläum der Kirch- in der Pfarre St. Bonifatius kam es immer
weih, hatte ich bereits eine Ausstellung
sozialisten nannte. Begleitet von Kaplan zur Jugendarbeit in der Gemeinde St. Bo- wieder zu Auseinandersetzungen mit
Heinrich Cürten waren auch zehn Jugend- nifatius gemacht“, erklärt der 73-jährige
liche aus der Pfarre St. Bonifatius mit da- Wicharz, der in den 1970er und 80er Jah- der Gestapo. Das bescherte dem stand-
bei. Insgesamt machten sich rund 2000 ren selbst aktiv in der Jugendarbeit der Ge-
junge Pilger, darunter 1550 „Sturmschar- meinde war. Gerade die Romfahrt sei ein haften Kirchenmann 20 Anzeigen, 500
ler“, aus dem gesamten Deutschen Reich Kapitel in der Geschichte der Gemeinde,
mit Bussen auf den Weg über die Alpen das nach Auffassung von Wicharz mehr Reichsmark Geldstrafe und zu Kriegsbe-
nach Rom. Drei Busse von Pilgern kamen Beachtung finden müsse. Denn nicht nur
aus Köln. Unterwegs wurde am Strand ginn 1939 vierzehn Tage Haft. Während
oder im Hafen von La Spezia auch in
Booten übernachtet. Höhepunkt war die des Krieges organisierte Pfarrer Cürten
Segnung des Sturmschar-Banners durch
Paspt Pius XI, das sich heute noch im Besitz einen eigenen Löschtrupp. Dem ist es zu
der Pfarrei St. Bonifatius befindet. Auf der
Rücktour erlebten die Pilger die Schikanen verdanken, dass die Kirche St. Bonifati-
der Gestapo. Ihnen wurde die Durchfahrt
durch Österreich verboten, und sie waren us nur vergleichsweise geringe Schäden
zu einem Umweg durch die Schweiz ge-
zwungen. An der Grenze zum Deutschen aufgrund von Bombardierungen davon-
trug. „Ich habe Kaplan Cürten, der 1994
gestorben ist, noch persönlich gekannt“,
berichtet Wicharz. „Er hat mir die Dias
von der Romwallfahrt überlassen.“ Da-
raus hat der ehemalige Ford-Mitarbeiter
für die historische Ausstellung 30 Tafeln
mit Fotos und Karten zusammengestellt.
Diese wird über Ostern in der Unterkirche
ausgestellt. mac

