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30 Leben
Auf ein Kölsch im Kappes mit Marius Jung
Seit 20 Jahren lebt der Schauspieler, Musiker und Comedian gut und gerne in Nippes
Er ist ein Vollprofi auf der Bühne und dahinter, denn der gebürtige Trierer Mari- scheiden überhaupt nicht zwischen Ka-
barett und Comedy, und mir persönlich
us Jung (49) arbeitet nicht nur als Schauspieler und Kabarettist, sondern auch als ist das auch wurscht. Ich unterscheide
eher zwischen gut und schlecht.
Coach und Regisseur hinter den Kulissen. Wir unterhalten uns sehr lange und sehr
Was ist denn für Sie ein guter Auftritt?
entspannt über seine Arbeit, den Rhythmus auf der Bühne, Auftritte auf Kreuz-
Ich gehe auf die Bühne, um etwas zu er-
fahrtschiffen und sein erstes Buch. Fotos: Biber Happe zählen. Ich möchte die Leute unterhalten,
zum Lachen bringen und berühren. Das
Für Nippes: Herr Jung, eigentlich wollte Der Untertitel Ihres Buches lautet „Hand- öffnet ihre Herzen und dann kann ich sie
ich Sie als erstes fragen, wie es sich als buch für Negerfreunde“ und klingt poli- auch mit mir wichtigen Themen konfron-
Neger in Nippes lebt. Aber nach der Lek- tisch nicht korrekt. Warum haben Sie das tieren.
türe Ihres Buches „Singen können die Buch geschrieben?
alle! – Handbuch für Negerfreunde“ Wie beispielsweise die politisch korrekte
Weil es mein The- Nutzung bestimmter Begriffe in Kinder-
kann ich nur fragen: Wie lebt es sich als ma ist. Ich bin in büchern.
Mensch in Nippes? Deutschland als
Schwarzer gebo- Genau. Wenn ich den Negerkönig aus
ren, aufgewach- dem Kinderbuchklassiker Pippi Lang-
sen und lebe hier. strumpf tilge, dann schaffe ich ein neues
Dadurch habe ich Tabu, weil das Wort ausgeblendet wird.
viele Dinge erlebt, Wir reden nicht mehr darüber, und damit
die andere Men- wird das Thema auch nicht mehr ange-
schen nicht erle- packt. Denn ein Wort kann ja nicht böse
ben und habe das sein, sondern nur der, der es benutzt.
schon lange auf Da wird eine völlig falsche Diskussion
der Bühne thema- geführt. Und, um beim Beispiel Pippi
tisiert. Ich habe Langstrumpf zu bleiben, nicht die Auto-
gemerkt, dass es rin Astrid Lindgren war rassistisch, als sie
zu diesem Thema das Buch schrieb, doch die Welt, in der sie
viel zu erzählen lebte. Das muss Kindern erklärt werden.
gibt. Und das wollte ich nicht bierernst Und das geht nur mit dem Original.
tun, sondern ironisch und provokativ.
Was macht Ihnen Spaß an Ihrer Arbeit
Marius Jung: Sehr gut. Ich mag die In- Das ist Ihnen gelungen. Sie haben den auf der Bühne?
frastruktur hier. Ich liebe Märkte, und alltäglichen Rassismus beschrieben und
dieser hier in Nippes ist etwas Beson- das auch noch sehr witzig. Es gibt kaum etwas schwierigeres, als
deres, ein täglicher Allesmarkt und der Menschen zum Lachen zu bringen, und
größte derartige Markt in Europa. Ich lie- Mir war es so wichtig zu zeigen, dass ganz es macht Spaß herauszufinden, was
be mein Viertel und kann hier auch mal viel Rassismus ja nicht aus Böswilligkeit lustig ist, damit die Menschen lachen.
einkaufen, wenn ich mein Portmonee entsteht, sondern aus Unwissenheit, und Man sieht lustige Dinge oder Begeben-
vergessen habe. Ich komme vom Dorf, das ist manchmal komisch. Komik ent- heiten und muss die verstehen. Damit
lebe in der Stadt und trotzdem ist es wie steht, wo Reibung entsteht. Und wenn etwas allerdings lustig ist und alle la-
ein Dorf, weil ich so viele Menschen hier Menschen lachen, dann bin ich direkter chen, muss es universell sein und in
kenne. an ihnen dran und kann sie mit Themen unserem Leben stattfinden. Das Publi-
konfrontieren, die mir wichtig sind. Kann kum und ich müssen über die gleichen
Wie kamen sie eigentlich dazu ein Buch einfach ein Stück weiter gehen. Bilder im Kopf verfügen. Dann kann ich
zu schreiben? abstruse Geschichten erzählen und den
Ab Herbst gehen Sie mit dem Programm Leuten den Spiegel vorhalten.
Auf der Bühne mit Sprache zu spielen, zum Buch auf Tournee. Ist das dann Co-
fand ich schon immer spannend. Das medy oder eher politisches Kabarett? Wie entstehen Auftritte, Texte, ein neues
Schreiben eines Buches ist wieder eine Programm?
ganz andere Herangehensweise und Ich arbeite gerade am Programm zum
hält somit das Hirn kreativ. Denn auf Buch. Premiere ist am 18. Oktober mit Es gibt Nummern, die ich nie aufschrei-
der Bühne sagt ein Gesicht mehr als „Singen können die alle!“- vom Neger be, sondern auf der Bühne entwickele.
1000 Worte. Im Buch müssen die Worte zum Maximalpigmentierten“. Das ist
alles erzählen und beim Leser die Bilder Kabarett. Es braucht immer ein Label, ein
öffnen. Und was ich im Buch schreibe Etikett, um den Leuten eine Richtung zu
bleibt. geben. Engländer und Amerikaner unter-
