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20 ... aus der Geschichte von Nippes

Wilhelm Eich – der letzte Bürgermeister der Gemeinde Nippes

„Herr Bürgermeister von Longerich, wir sind ja noch so hongerich“

Wilhelm Eich, geboren am 24. April 1830, am 17. November 1900 in Köln gestorben,            Eingemeindung der ehemaligen Bür-
wurde im Jahre 1858 Chef der „Bürgermeisterei Longerich“, ab 1880 war er Bürger-            germeisterei Longerich nach Köln. 1886
meister von Nippes und Riehl und verhandelte mit dem Kölner Stadtrat über die               stellte er zwar bei der preußischen Re-
Eingemeindung am 1. April 1888.                                                             gierung einen Antrag auf „Erhebung
                                                                                            der Gemeinde Nippes in den Kreis der
Wilhelm Eich galt als sehr pflichteifrig.  Die „Flora“. Hier wollten die preußischen Land-  Städte“ (Nippes war erst kurz zuvor
Am 22. Juli 1865 hätte er sogar beinahe    tagsabgeordneten speisen                         eine eigenständige Gemeinde gewor-
ein „Abgeordnetenfest“ vereitelt. Die                                                       den). Aber damit wollte er vermutlich
Abgeordneten des preußischen Land-         Preußisches Pflichtbewusstsein führt             nur seine Verhandlungsposition stär-
tags wollten die 50-jährige Zugehörig-     zur Posse                                        ken. Der Antrag wurde abgelehnt. Die
keit des Rheinlandes zu Preußen feiern,                                                     Eingemeindung, die mit dem 1. April
der Landtag war aber kurz vorher von       Die Abgeordneten wichen dann ins                 1888 in Kraft trat, scheint schon Jahre
Bismarck aufgelöst worden, weil dieser     „Bellevue“ nach Deutz aus, aber dort             vorher beschlossene Sache gewesen
nicht das Geld für eine Umorganisati-      wurden sie abends durch das Militär              zu sein. Wilhelm Eich wurde dann Köl-
on des Heeres bewilligen wollte. Eine      vertrieben. Vier der Schiffe, die für das        ner Stadtverordneter. Am 17. November
Tagung des Landtags war deshalb vom        Abgeordnetenfest reserviert waren,               1900 erschoss er sich in seiner Nippeser
Regierungspräsidenten für ungesetzlich     wurden militärisch besetzt, aber die             Wohnung Neusser Straße 242 – dort
erklärt worden, aber die Abgeordneten      Rheinfahrt kam dennoch zu Stande. In             befindet sich heute die Kaufhof-Filiale
beriefen sich darauf, dass preußischen     Lahnstein wurden die Abgeordneten ju-            – angeblich „in einem Augenblick völlig
Staatsbürgern nach der geltenden Ver-      belnd von der Bevölkerung empfangen.             geistiger Umnachtung“ wie der Kölner
fassung eine private Zusammenkunft         Das vorgesehene Fest fand dort statt.            Stadtanzeiger anschließend schreibt.
in geschlossenen Räumen gestattet          Eine Jägerkompanie, die von Wiesba-              Heute erinnert an Wilhelm Eich noch
sei. Eine Zusammenkunft im Kölner          den aus in Marsch gesetzt worden war,            die Eichstraße in Nippes zwischen Wil-
Gürzenich war auf Druck des Polizei-       um die Festteilnehmer zu vertreiben,             helmstraße und Auerstraße.
präsidenten kurzfristig durch den Ober-    kam erst in Lahnstein an, als sich die
bürgermeister abgesagt worden, daher       Versammlung schon aufgelöst hatte.               Leider ist es uns trotz eifrigen Bemühens
wollten sich die Abgeordneten in der       Der Spruch aber fand Verbreitung und             nicht gelungen, ein Foto von Wilhelm
                                           machte den Namen „Longerich“ in der              Eich aufzutreiben und wir konnten bis-
Flora treffen, die damals zur Bürgermei-   ganzen Region bekannt. Die Aktion des            her nicht herausfinden, wo Eich geboren
sterei Longerich gehörte. Die Veranstal-   Longericher Bürgermeisters wurde so-             wurde. Falls eine Leserin oder ein Leser
tung sollte gerade beginnen – die Suppe    gar 1866 im Kölner Rosenmontagszug               uns weiterhelfen kann, wären das Ar-
war schon aufgetragen –, da erschien       mit einem eigenen Wagen bedacht: Zu              chiv für Stadtteilgeschichte und die Re-
mit einigen Polizeibeamten Wilhelm         sehen war ein riesiger Suppentopf und            daktion Für Nippes sehr dankbar.
Eich, angetan mit Anzug und weißem         ein Männlein, dem ein heller Zylinder bis
Zylinder und erklärte die Versammlung      auf die Nase gerutscht war. Rings um             Winfried Schumacher
für geschlossen. „Ich bin der Bürgermei-   den Wagen herum war der Spruch ange-             www.archiv-koeln-nippes.de
ster von Longerich“, sagte er und ließ     bracht: „Herr Bürgermeister von Longe-
die Landtagsabgeordneten mit Gewalt        rich, wir sind ja noch so hongerich!“ Eich        Quelle:
aus dem Saal drängen, bevor sie etwas      unterstützte Ende des 19. Jahrhunderts            Hans Egon Meyer: Longerich. In: Franz Irsfeld (Hrsg.):
essen konnten. Einer der Abgeordneten      beispielsweise auch die Betriebsleitung           Nippes gestern und heute. Köln 1983; S. 83 – 100
sagte daraufhin: „Herr Bürgermeister       des Eisenbahn-Ausbesserungswerks                  Kölner Localanzeiger Nr. 316 v. 18. November 1900
von Longerich, wir sind ja noch so hon-    bei der Unterdrückung „sozialdemokra-             Kölner Stadtanzeiger Nr. 316 v. 20. November 1900
gerich!“ Bei der Rangelei, die anschlie-   tischer Bestrebungen“.                            Florabilder: Sammlung Joachim Brokmeier,
ßend entstand, erhielt Eich einen Schlag                                                     www.joachim-brokmeier.de
auf seinen Zylinder, so dass der ihm über  Wilhelm Eich, Nippes und Köln
die Augen rutschte.
                                           Wilhelm Eich betrieb schließlich die
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