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22 ... aus der Geschichte von Nippes

Das Eisenbahnausbesserungswerk - Teil 3

Naziherrschaft, Zweiter Weltkrieg und Aufbaujahre

Bald nach der „Machtergreifung“ durch Hitler im Januar 1933 setzen die Kriegs-
vorbereitungen ein. Schon 1936 sind in Nippes 19 „Sammelschutzräume“ als Zu-
fluchtsort vor erwarteten Bombenangriffen eingerichtet. Im Reichsbahn-Ausbes-
serungswerk (RAW), das fast ausschließlich für die Aufrüstung der Wehrmacht
arbeitet, besteht ein eigener „Werks-Luftschutz“.

1937 feiert das RAW Köln-Nippes sein                        unter anderem im RAW arbeiten muss-           Erste Aufräumarbeiten (Foto: 1947; privat)
75-jähriges Bestehen mit beträcht-                          te, die Stätte seines früheren Zwangs-
lichem Pomp. Auf dem Werksgelände                           aufenthalts besucht (siehe Artikel auf        reiche aufgegeben würden. Das Werk
wird den im Ersten Weltkrieg gefallenen                     Seite 23).                                    begann zu schrumpfen. Auf einem Teil
„Gefolgschaftsmitgliedern“ ein weithin                                                                    des Werksgeländes, der ursprünglich für
sichtbares Denkmal gesetzt. In der Fest-                    Im Herbst 1944 waren die Zerstörungen         eine neue Lokomotiv-Richthalle vorgese-
schrift heißt es unter anderem: „Der                        so groß, dass einige Teilwerkstätten          hen war, wurde 1953 eine Wohnsiedlung
gewaltige Umschwung, der sich 1933                          ausgelagert wurden. Zudem wurden              für Eisenbahner gebaut. Noch 1959 wur-
vollzog, ergriff das Innerste unseres Be-                   vier mobile „Werkstattzüge“ mit Mann-         de eine große Kantine mit Werksküche
triebes.“                                                   schaften und Maschinen bestückt. Am
                                                            5. März 1945 verließ schließlich der letz-                               eröffnet, in der an
Das Werk hatte damals seine größ-                           te Rest der Belegschaft das RAW. Aber                                    Werktagen rund
te Ausdehnung. Es verfügte nicht nur                                                                                                 500 warme Mahl-
über einen Sportplatz, eine Turnhalle                       Zerstörtes Werksgelände (Foto: 1947; privat)                             zeiten ausgegeben
und einen Schießstand (!), sondern es                                                                                                wurden. Das Kanti-
war auch beteiligt an einem Kinderheim                      bereits wenige Monate später, nach der                                   nengebäude steht
und einem „Eisenbahner-Erholungs-                           Befreiung von der Nazi-Herrschaft, wur-                                  heute unter Denk-
heim“, Gut Nierhof im Sauerland. Die                        de die Arbeit im Werk wieder aufgenom-                                   malschutz. Nach
Bronzeplastik, die einst den Brunnen im                     men. Man bemühte sich nach Kräften,                                      der Stilllegung des
                                                            wieder einen regelmäßigen Eisenbahn-                                     BAW wurde es jah-
                           Eingangsbereich                  betrieb möglich zu machen, und das,                                      relang für Tanz-
                           des Kinderheima                  obwohl die Werksanlagen zum größten                                      veranstaltungen
                           zierte, steht heu-               Teil zerstört waren. Schon bald zeich-                                   genutzt und ist
                           te auf einem So-                 nete sich ein „großer Personalmangel“                                    mittlerweile sehr
                           ckel im Vorgarten                ab, der aber „aus entlassenen Kriegsteil-                                verfallen ist. Teile
                           des Hauses Werk-                 nehmern und den aus den Ostprovinzen                                     davon sollen zu ei-
                           stattstraße 15/Ecke              zurückflutenden Flüchtlingen gedeckt“         ner Kindertagesstätte umgebaut werden.
                           Nohlstraße.                      werde konnte (Zitat aus der Festschrift
                                                            zum 100-jährigen Bestehen des Ausbes-         ... in der nächsten Ausgabe geht es weiter!
                                  Bronzeplastik aus dem     serungswerks im Jahr 1962).
                                  ehemaligen Kinderheim                                                   Winfried Schumacher
                                  (jetziger Zustand; Foto:  Im Jahre 1951 war das „Bundesbahn-            www.archiv-koeln-nippes.de
                                  privat)                   Ausbesserungswerk“ (BAW) wieder voll
                                                            funktionsfähig. Es zeichnete sich aber         Quelle:
Im Zweiten Weltkrieg fielen erwar-                          ab, dass verschiedene Fertigungsbe-            Bücken, Kathi: Zwangsarbeiterlager in Nippes; in:
tungsgemäß viele Bomben auf das                                                                            Stadtteilarchiv Köln-Nippes e.V. (Hrsg.); De Fahn erus!
RAW. Die erste Bombardierung geschah                                                                       Köln-Nippes im Nationalsozialismus; Köln 1997, S. 271-
in der Nacht vom 10. auf den 11. März                                                                      278
1941. Zahlreiche weitere Luftangriffe                                                                      Hiller, Friedemann: Nippes im Krieg; in: Stadt-teilarchiv
folgten. Zu den Bombenopfern zählen                                                                        Köln-Nippes e.V. (Hrsg.); De Fahn erus! Köln-Nippes im
nicht zuletzt viele Kriegsgefangene                                                                        Nationalsozialismus; Köln 1997, S. 227-270
und Zwangsarbeiter, die in den Kriegs-                                                                     Schulz, Walter: Vom Motor der Industrialisie-rung zum
jahren in großer Zahl im RAW arbeiten                                                                      „Alten Eisen“. Die Eisenbahnwerk-stätte Köln-Nippes:
mussten. Bei Luftangriffen waren diese                                                                     in: Stadtteilarchiv Köln-Nippes e.V. (Hrsg.); Loß mer jet
Personen besonders gefährdet, denn es                                                                      durch Neppes jon. Ein Streifzug durch die Geschichte;
war ihnen untersagt, die Luftschutzräu-                                                                    Köln 1987, S. 72-84.
me aufzusuchen. Sie waren in verschie-                                                                     DB (Hrsg.): 100 Jahre Bundesbahn Ausbesse-rungswerk
denen Lagern untergebracht. Dem RAW                                                                        Köln-Nippes 1862-1962; Essen 1962
zugeordnet war insbesondere ein Lager                                                                      Reichsbahnausbesserungswerk Köln-Nippes (Hrsg.):
an der Kempener Straße/ Ecke Mauen-                                                                        75 Jahre Reichsbahn-Ausbesserungswerk Köln-Nippes;
heimer Straße. Im vergangenen Herbst                                                                       Köln 1937
hat ein ehemaliger Zwangsarbeiter, der                                                                     Bestände des „Archivs für Stadtteilgeschichte Köln-
                                                                                                           Nippes e.V.“

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