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36 Veedel im Veedel
Geschichtsstunden auf Straßenschildern
Das Afrika-Viertel berichtet von deutschem Kolonialismus und seiner Aufarbeitung
Wie Maskottchen thronen der ausgestopfte Fuchs, Waldkauz, Marder und Co. in am Kilimandscharo, sondern auch stram-
den Baumkronen am Kretzerplatz, wie die Grünanlage im Herzen des Afrikavier- mer Rassist, glühender Antisemit und
tels von den Anwohnern genannt wird. Doch nicht nur für die präparierte Tierwelt Schinder sondergleichen. In Zeiten des
gilt es hier, die Augen offen zu halten.
Nationalsozialismus wurde er sogar als
Vordenker der Bewegung gepriesen und
mit einem Propaganda-Film „geehrt“.
Späte Umbenennung
Wie unerwartet geschichtsträchtig die eine Wohnsiedlung der gehobenen Klas- Auch die Usambarastraße wurde im sel-
Wohnsiedlung im Norden des Veedels se umfunktioniert wurde. Das damalige ben Jahr einem Namenswechsel unter-
ist, offenbart sich den interessierten politische Klima war von einer trotzigen zogen. Der alte Name (Lüderitzstraße)
Beobachtern mit Blick auf die Straßen- Nostalgie zur deutschen Kolonialzeit ge- verwies auf Adolf Eduard Lüderitz, des-
namen, die dem gesamten Quartier ih- prägt. sen Ruf als „Vater der ersten deutschen
ren Namen gab. Von Namibia über Togo Siedlungskolonie“ auf skrupellosem
und Usambara bis Kamerun stand der Falscher Nationalstolz Landraub basierte. Nachdem es schon
schwarze Kontinent hier mehrmals Pate. in den 80er Jahren zahlreiche Initiativen
Wie kam es dazu, dass sich der Norden Nach der Machtergreifung der National- und Diskussionen gab, die Schlüsselfi-
von Nippes in der Namensgebung der sozialisten blickte man wehmütig auf guren des Kolonialismus von den Stra-
Straßen an afrikanische Staaten an- diese Zeit zurück, die mit der Aufgabe ßenschildern zu verbannen und ihnen
lehnte? deutscher Kolonien nach dem ersten keinen falschen Glanz zuzugestehen,
Weltkrieg endete. Ein falscher Stolz, der
Die Geschichte der eigenwilligen Stra- sich bei der Straßenbenennung nieder-
ßennamen geht zurück bis in die 30er schlug, sollte alte territoriale Ansprüche
Jahre des 20. Jahrhunderts, als das Ge- wieder ins Bewusstsein der Bevölkerung
lände der Firma „Kretzer & Wirtgen“ in rücken und den Akteuren von einst hul-
digen. So hieß die Namibiastraße, die das
Afrika-Viertel einmal gen Osten durch-
kreuzt und auf die die ausgestopften
Baumbewohner vom Kretzerplatz ein
wachsames Auge werfen, einst noch
Carl-Peters-Straße. Ein Blick auf dessen
Biografie lässt wundern, warum sie erst
1990, als Namibia als einer der letzten
Staaten die Apartheid überwand, um-
benannt wurde. So war Peters nicht nur
der Gründer der „Gesellschaft für deut-
sche Kolonisation“ und Reichskommissar

