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„Das war hier mal ein Allround-Laden“
Hauslieferung für Stammkunden
Seit 53 Jahren betreibt das Ehepaar Voetz ein Lebensmittelgeschäft an der Niehler sorgungsamt’, weil meine Frau für die
Straße. Mit den Ladenbesitzern sind auch die Stammkunden alt geworden. Nachbarschaft gekocht hat“, sagt Vo-
etz. Und abends trafen sich alle in der
sind noch drei alte benachbarten Gaststätte Koch. Die gibt
es nicht mehr, in den Räumen hat sich
Frauen, weit über jetzt ein „Institut für Medienrecht“ nie-
dergelassen.
80 Jahre alt.“ De-
Die Menschlichkeit, der persönliche
nen liefert Voetz Kontakt zu den Nachbarn und Kunden
sei in den Jahren auf der Strecke geblie-
Freitag nachmit- ben, meint ein Nachbar, der seit mehr
als 40 Jahren Stammkunde ist. „Hier in
tags die Ware ins der Küche bei den Voetz kann man sit-
zen, kölsch schwade und auch Kölsch
Haus, wie in den trinken.“ Helmut Voetz kramt in der
Schublade und sucht nach alten Fotos,
vergangenen fünf die ihn und seine Frau im Geschäft zei-
gen, die Regale prall gefüllt. „So sah das
Jahrzehnten. „Das
war hier mal ein
Allround-Laden“,
sagt der gebürtige
Kölner und lässt
mit großen Gesten
seine Arme in der
Luft kreisen. „ Wir
hatten Tiefkühl-
kost, Wurst und
Brot wurde uns
Ab und zu denkt Helmut Voetz schon von drei verschiedenen Backfabriken
mal ans Aufhören, aber der 75-jährige geliefert, immer frisch.“ Jetzt stehen
Kaufmann wirkt in seiner Kniebund- zwei rosa Geranien, ein Sack Blumen-
hose und der Strickjacke so agil, dass erde und zwei Kisten Tomaten auf dem
er seinen Vorsatz selbst nicht ernst zu Fenstersims und warten auf Kunden,
nehmen scheint. Seit 53 Jahren betreibt die nur noch eilig die Niehler Straße
er mit seiner Frau Anneliese ein kleines in ihren Autos entlang rasen. „Hier in
Lebensmittelgeschäft an der Niehler der Nachbarschaft gab es ja viele Post-
Straße 33. Die Öffnungszei- häuser. Da kamen die Leute
ten haben die beiden schon Die Supermärkte alle zu uns“, weiß Voetz und
stark eingeschränkt, kom- haben die kleinen schimpft im selben Atemzug hier früher aus“, sagt er stolz und zeigt
men nur noch am Mittwoch, Geschäfte kaputt auf die Supermärkte und Ein- die Schwarzweißaufnahmen. Dennoch
Donnerstag und Freitag gemacht kaufszentren. „Die haben die habe er keine Probleme, sich vom Laden
aus Erftstadt in ihre zweites kleinen Geschäfte doch ka- zu trennen. „Wir haben unser Leben ge-
Wohnzimmer, das sich direkt neben putt gemacht.“ Obwohl die Ware hier lebt.“ Und seine Frau wünscht sich ein
dem 26 Quadratmeter großen Ver- vielleicht „fünf Groschen mih jekostet wenig mehr Freizeit. „Der Körper macht
kaufsraum befindet. hat“, wirft seine Frau ein. „Aber mein einfach nicht mehr so mit.“ Doch dauer-
Mann kennt sich aus, Spargel und Äp- haft kann sich niemand Helmut Voetz
Hier stehen auf der ausladenden The- fel kommen vom Land.“ Schließlich hat nur in seinem Haus in Erftstadt vorstel-
ke weiße und braune Eier zum Verkauf Helmut Voetz sieben Jahre als Gärtner len, auf der Terrasse ohne Kontakt zu
und Konserven mit Eintopf, Sauerkraut den Menschen in Nippes. Da würde ihm
und feinen Erbsen sind ansprechend und Nippes was fehlen. mac
gestapelt. Die Regale dagegen sind eher
übersichtlich gestaltet, aber haltbare „Ich bin Mitglied im Verein Für Nippes,
weil ...
Lebensmittel wie Öl, Salz und Soßen-
binder sind immer noch zu haben. Über
dem Tresen hängt die Küppers Kölsch-
Leuchtreklame und Prilblümchen zieren
die Oberkante der Regale. Die Tapete ist
mit den Ladenbesitzern in die Jahre ge-
kommen. ... ich die Idee gut
finde, das Viertel
gearbeitet hat, bevor er sein Lebensmit- zu unterstützen.“
Stefan Marx (46)
„Die Stammkunden sterben aus“, stellt telgeschäft in Nippes eröffnet hat. „Die
Voetz nüchtern fest. „Übrig geblieben Leute nannten das doch hier ‚unser Ver-
Das Stadtteilmagazin

